Petra Lies Seemann - Lilo 
Es gibt nicht Gutes, außer man tut es - und ich tue beides - singen und schreiben. 

Die drei Geister meiner Weihnacht 

 

Ich hab ihn gesehen. Einen roten Himmel, mit leuchtenden Wolken und einem Schimmer als würden alle Wolken brennen. Für einen kurzen Moment  spürte ich diesen unbeschreiblichen Zauber, ein Gefühl von Wärme und Liebe das einen geradezu übermächtig umhüllt und zu mindestens mich manchmal zu Tränen rührt. Und dann von einer Sekunde zur anderen war das Gefühl verschwunden. Einfach verpufft, wie eine Seifenblase, die erst nach oben steigt, dann langsam nach unten gleitet und bei der kleinsten Berührung platzt. Und,  wo mich eben noch wärme wohlig warm empfing, spürte ich einen klitzekleinen Hauch Kälte.

 Nichts war passiert, kein Paukenschlag war zu hören gewesen und nach wie vor war der  Himmel übersät mit roten Wolken. Nur in mir war das Gefühl ein anderes. Der Zauber war fort und von einer Minute zur anderen war der rote Himmel nichts weiter als ein Sonnenaufgang in herbstlicher Zeit.  Ich wollte schon aufstehen und mein Tagewerk beginnen als mir plötzlich die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens in den Sinn kam. Ja, genau die, in der der alte und verbitterte Mr Scrooge am Heiligen Abend von seinen Geistern aufgesucht wird und mit ihnen, auf der Suche nach Frieden und Freude und all dem , wonach wir uns so sehr sehnen und es trotz aller guten Vorsätze selten wirklich in uns spüren, durchs Leben reist.

Und dann standen sie plötzlich vor mir, meine Geister.  Einer, für meine kindliche Weihnacht, als Weihnachten noch Weihnachten war und ein roter Himmel mehr als nur ein Sonnenaufgang in vorweihnachtlicher Zeit. Einer, für die Weihnacht, in der ich den Zauber an meine Kinder weitergab und ein letzter Geist,  für die jetzige Weihnacht und für alle , die noch kommen sollten. Ich traute meinen Augen nicht und fühlte mich schon etwas beklommen. Doch als der erste Geist zaghaft meine Hand nahm ließ ich mich hin, in  die Straße meiner Kindheit führen.  Weit von Oben sah ich mich in dicker Jacke und festen Winterschuhen auf der Straße stehen und hoch zum Himmel empor sehen.  Meine Nase triefte und meine Hände, die vor Kälte schon ganz kalt und steif waren rieb ich  ineinander und versuchte sie mit meinem warmen Atem zu wärmen. Ich fror und um mich zu wärmen hüpfte ich von einem Bein auf das andere  und dennoch konnte ich meine Augen nicht von diesem Himmel lassen, der so rot war, als würden alle Wolken aus purem Feuer bestehen. Noch einmal hörte ich mich meine Mutter fragen, wieso der Himmel so rot wäre und wie früher verzauberte mich ihre Antwort. >> Der Himmel ist nur so rot, weil alle Engel emsig damit beschäftigt sind für Weihnachten zu backen<<.  Ich sah mich mit roter Nase und leuchtenden Augen und diesem unbeschreiblichen Gefühl, dass nur Kinder spüren können.  Im Eiltempo reisten wir, der Geist und ich durch meine kindliche Weihnacht. Mal sah ich mich mit leuchtenden Augen auf den Boden sitzen, wie ich den Geschichten vom Christkind und Weihnachtsmann lauschte und mich mit bangem Herzen fragte, ob das Christkind mir meine Wünsche erfüllen würde. Ein anderes Mal sah ich mich die Türen meines Adventskalenders öffnen und wie mich mit jeder weiteren Tür eine unbändige Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest  ergriff.  Mein Geist zeigte mir nochmal, wie ich mir meine Nase am Schaufenster eines Süßwarengeschäftes  platt drückte und davon träumte all die vielen Süßigkeiten essen zu dürfen. Überall roch es nach Mandeln, Zimt und anderen Gewürzen. Es war wohlig warm und nichts auf der Welt konnte schöner sein, als die Weihnachtszeit mit all seinen Geheimnissen. Damals gab es für mich Wichtel  in  grünen Pluderhosen, roten Jacken mit goldenen Knöpfen und bunten Zipfelmütze. Engel in weißen Kleidern mit goldenen Sternen , die rotwangig vor großen Schüsseln standen und geschäftig den Teig rührten,  Feen und Kobolde, die man zwar nie sah und die dennoch überall ein Zuhause hatten.  Die Geschichten meiner Kindheit waren magisch und einzigartig schön.  Sie öffneten mir eine Welt, in der alles gut war und in der ich nach Herzenslust träumen durfte so viel wie ich wollte.  Ich konnte mich gar nicht satt sehen, an den Wundern der damaligen Zeit doch plötzlich war der Spuck vorbei. Ernüchternd saß ich in meinem Wohnzimmer und dachte noch gerade darüber nach, was ich gerade gesehen hatte, als mein zweiter Geist, groß und dicklich vor mir stand. Behutsam nahm er meine Hand, nickte mir kurz zu und ehe ich begriff, flogen wir auch schon in die Zeit, als ich selber erwachsen und Mutter war.

Es waren so viele verschiedene Stationen, die mein Geist und ich aufsuchten  und  überall sah ich mich fleißig und emsig und stets bemüht den Zauber der Weihnacht ins Haus und in die Herzen meiner Kinder zu tragen. An manchen Tagen regierte Ruhe und Zeit und doch an so vielen anderen Tagen lief die Zeit, schneller als in einer Sanduhr durch meine Hände. Einem Vogel gleich flog ich mit leisem Flügelschlag über das Haus, in dem meine Familie und ich wohnte und sah noch einmal meine Kinder, an all den Zauber und an die  magischen Wunder glauben. Ich hingegen spürte den einzigartigen Zauber nur noch selten.  Wichtel und Zwerge, Engel und das Christkind waren eingetauscht gegen Hektik und dem Rennen nach Perfektion.

 Es wurde geschrubbt und gewienert bis alles glänzte und schon Wochen vor dem Fest zermarterte ich mir  mein Hirn, was ich meinen Lieben zum Weihnachtsfest köstliches auf den Tisch bringen könnte. Ich buk Kekse und Kuchen, kaufte ein und sorgte dafür, dass es an Weihnachten  meinen Lieben  an nichts fehlen würde.  Den Abend vor dem 1. Dezember saß ich stundenlang auf dem Boden und füllte die Adventskalender, die ich mühsam Tage zuvor gebastelt hatte, mit Schokolade und kleinen Geschenken. Pünktlich zum Nikolaustag sammelte ich die Wunschlisten meiner Lieben ein.  Fünftes Regal von oben, hatte einmal auf einem Wunschzettel gestanden und ein anderes Mal stand sogar der Preis für das neue Spiel in großen Zahlen darunter. Zeit, die Geschenke einzuwickeln fand ich meistenteils erst einen, oder zwei Tage vor Weihnachten. Für ein 1-2  Stunden schloss ich mich im Zimmer ein, hörte leise weihnachtliche Musik und verpackte ein Geschenk nach dem anderen. Immer darauf achtend, dass das Papier mit den Kugeln am Baum harmonierte und das auch alle Geschenke gleich schön aussahen. Am 23. Dezember stand ich wie hundert andere wartend in der Schlange vor den Kassen, strich akribisch meinen Einkaufszettel ab und besorgte noch rasch all das, was wir unbedingt brauchten und was ich auf keinen Fall vergessen durfte. In der Nacht, wenn alle schliefen, holte ich aus dem Keller die großen Kisten mit den Christbaumkugeln und dann schmückte ich den Baum, den mein Mann zuvor mühsam im Christbaumständer aufgestellt hatte. Wenn ich mit meinem Werk fertig war, betrachtete ich es aus einem gewissen Abstand und nicht selten kam es vor, dass ich der einen oder anderen Kugel einen neuen Platz zuwies, weil es so schöner aussah. Leise und müde kroch ich zu Bett und noch beim Einschlafen dachte ich an all die Sachen, die am  Morgen noch zu erledigen waren. Die Nächte vor dem eigentlichen Fest  waren meistens kurz und der Morgen des Heiligen abends hektisch und quirlig. Hab ich auch an alles gedacht, ist jedes Geschenk verpackt, der Braten groß genug, die Gaben ausreichend und wird es ein schönes Fest?  Noch einmal sah ich mich das Glöckchen läuten und, wie mein Herz  höher schlug, wenn meine Kinder mit offenem Mund und leuchtenden Augen vor dem geschmückten Christbaum standen. Und während ein Geschenk nach dem anderen verteilt wurde spürte ich nochmals meine Sorge, ob ich auch wirklich für jeden das richtige Geschenk habe und den Wunsch, die Zeit festzuhalten, sie sorgfältig in Stanniolpapier zu wickeln und tief in meinem Herzen zu konservieren. 

Und dann  war auch diese Erinnerung vorbei und vor mir stand mein letzter Geist. Ich hätte ihn fast übersehen, so klein und unscheinbar sah er aus.  Ich wusste noch nicht so recht, was ich mit ihm anfangen sollte. Er war mir fremd und dennoch irgendwie auch vertraut. Vorsichtig nahm er meine Hand und flog mit mir zu einer Zeit, die noch vor mir liegt. Und während wir durch Zeit und Raum flogen, dachte ich daran, wie sie wohl sein würde, meine zukünftige Weihnacht.

Würde es erneut Hektik geben, oder doch eher Stille.  Wäre unser Haus erneut erfüllt mit  Kinderlachen und magischen Wundern, oder wäre all die Zeit endgültig vorbei. Vielleicht war es  möglich den Zauber meiner Kindheit erneut einzufangen und wieder genauso zu fühlen, wie damals, als der rote Himmel zu Weihnachten mehr als nur ein roter Himmel war? Ich war schon aufgeregt und gespannt. Doch meine Enttäuschung war riesengroß als unsere Reise endete und ich mich in mitten eines leeren Hauses wiederfand. Kein Lichterglanz, kein Lachen, kein Zauber und keine Wärme. Alles war kalt und leer.   

Verwirrt, ob der leeren Räume, sah ich zu meinem Geist. Ich glaube, er spürte, dass ich etwas fragen wollte und das mir bang ums Herz war doch lächelnd hob er seinen Finger,  verschloss mir meinen Mund und flüsterte mir leise zu::>>

>> Hab keine Angst. Öffne dein Herz, deine Augen und deine Türen, dann wird Weihnachten all das sein, was du dir wünscht……………

 

 

 

 

 

 

 

 

      

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