Lilo David 

Ihre Reise kann beginnen 

Stete Veränderungen, alles ist im Fluss.


Vor einem Jahr sind unsere Nachbarn fortgezogen. Seitdem wohnt eine junge Familie in dem Haus. Es ist nichts Weltbewegendes und doch schreibe ich es Ihnen, denn ich vermisse meine alten Nachbarn. Ich vermisse unseren gelegentlichen Plausch über den Gartenzaun, unsere kleinen Unterhaltungen, das freundliche morgendliche Zurufen<< Guten Morgen Frau Nachbarin<< und ich vermisse das wohlig warme Licht, wenn sie abends im Wintergarten gesessen haben und der Schein ihrer Lampe den Weg meines Gartens in ein feines weiches Licht getaucht hat. Nein. Wir waren nicht eng befreundet. Aber dennoch so ,dass man einander freundlich und wohlgesonnen zugetan war. Unsere neuen Nachbarn sind nett. Wo früher Stille herrschte erfüllt nun helles Kinderlachen den Garten. Es ist schön von nebenan das pure Leben zu hören, wenn die Kinder bei heißem Sommerwetter lachend und jauchzend in ihrem Schwimmbecken toben. Es ist gut und doch so vollkommen anders. Anders deshalb, weil mich mit meinen alten Nachbarn  viel mehr verbunden hat, als mir bewusst war und neunzehn Jahre eben doch eine lange Zeit ist. Wir waren beinah im selben Alter, unsere Kinder waren beinah gleich alt und somit teilten wir auch die gleichen Nöte und Sorgen und so manches Gespräch drehte sich darum, was unsere und ihre Kinder jetzt taten oder wie es ihnen ging. Mit den neuen Nachbarn verbindet mich nichts, außer der Tatsache, dass wir Zaun an Zaun nebeneinander leben.

So ist es eben. Das Leben ist ein stetiger Fluss, wenn auch manchmal ein stiller und ruhiger und zu anderen Zeiten stürmisch und mit unendlichen Tiefen. Und obwohl ich es weiß, fällt es mir schwer jede Veränderung augenblicklich und sofort zu akzeptieren und mich damit zu arrangieren. Am Ende muss man jedoch akzeptieren und schauen, dass man mit Veränderungen klar kommt und gewisse Dinge nicht anfängt zu glorifizieren.

Veränderungen finden statt. Tagtäglich und unabhängig von Beruf, Freunde , Nachbarn oder Familie. Aus liebgewonnen Nachbarn werden ältere Menschen, die natürlich irgendwann fortziehen oder ihre Lebenssituation sich derart verändert, dass sie zwangsweise umsiedeln müssen. Aus einstigen Freunden, mit denen man Freud und Leid geteilt hat, werden womöglich irgendwann doch Fremde, denen man nichts mehr zu sagen hat und mit denen man  das Leben nicht mehr teilt. Man wechselt den Job, weil man entweder unglücklich oder unzufrieden ist oder eine neue Herausforderung es von einem fordert. Aus den eigenen Kindern werden junge Erwachsene. Sie gehen ihren eigenen Weg und letztendlich ist es auch gut so, dass es so ist. Das Leben ist Veränderung – Stillstand gibt es nur, wenn man nicht mehr lebt. Und selbst dann ist es ein Trugschluss. Denn das Leben der anderen wird sich weiterdrehen und nichts bleibt wie es war.

Nur an manche Veränderung mag ich mich einfach nicht gewöhnen.  Es fällt mir schwer gewisse Dinge zu akzeptieren und manchmal, wenn ich darüber nachdenke, spüre ich, dass ich es eigentlich viel lieber anders hätte. Leben und der Wunsch nach Beständigkeit sind halt doch zwei verschiedene Paar Schuhe.

Vor Jahren ist meine Tochter fortgezogen. Nichts , was nicht auch anderen Eltern passiert. Nur die Tatsache, dass Sie in einer anderen Stadt lebt, will ich irgendwie emotional nicht akzeptieren.  Hunderttausendmal habe ich versucht meinen mütterlichen Egoismus zu überlisten und mich mit dieser Tatsache irgendwie zu arrangieren. Nur irgendwie funktioniert es nicht. Zu mindestens was mein Herz angeht.

Neulich sagte eine Freundin zu mir, << sei doch froh, dass sie nicht am anderen Ende der Welt lebt<< Ja, vielleicht kann so etwas nur jemand sagen, der alleine ist. Es ist vollkommen egal, wo derjenige lebt, den man vermisst. Es müssen keine tausende von Kilometern sein, um zu spüren, dass man vermisst.  Das Gefühl dem anderen nicht mehr jeder Zeit nahe sein zu können, sich spontan besuchen zu können und sich zu sehen, wenn einem danach ist, ist vollkommen unabhängig vom Tachostand und abgefahrenen Reisekilometern. Es sitzt tief in einem und fragt nie danach, ob dir gefällt, was du empfindest und, ob du es haben willst oder doch lieber zum Teufel scherst.

Gestern war ich seit Jahren mal wieder auf dem Friedhof. Meine Mutter wäre neunzig geworden, wenn sie noch leben würde und der Todestag meines Vaters jährt sich diese Woche zum fünften Mal. Manche Veränderungen werden mit der Zeit  wohlwollend und hinterlassen plötzlich ein vollkommen anderes Empfinden. Früher war es mir unmöglich hinzugehen und am Grab meiner Eltern zu stehen. Gestern empfand ich seltsamerweise eine tiefe innere Ruhe und dachte seit langem an beide mit einem leisen Lächeln. Das Seltsame daran war, das Wehmut und Trauer über ihren Verlust aber auch mein Zorn und meine Wut, die mich jahrelang begleitet haben, nicht, weil sie gestorben sind, sondern, weil sie mir am Ende ihres Lebens viel Leid zugefügt hatten, dem Gefühl von Ruhe und Gelassenheit gewichen sind.  Und plötzlich wurde mir klar, dass ich beide nach wie vor vermisse ,so wie ich meine Nachbarn vermisse, meine Tochter, die in einer anderen Stadt lebt, mein Sohn, der seit langem auch in einer eigenen Wohnung lebt , Freunde, die ich nicht mehr habe, meine früheren Arbeitskollegen , meinen Job  und in gewisser Weise auch meine Vergangenheit.

Wilma Thomalla, eine deutsche Publizistin hat  zu Veränderungen des Lebens folgendes geschrieben:

Es sind nicht die äußeren Umstände, die das Leben verändern, sondern die inneren Veränderungen, die sich im Leben äußern.

Und ich denke, damit hat sie absolut Recht.

Mir mögen Veränderungen nicht gefallen und es mag mir auch unter Umständen schwerfallen gewisse Veränderungen kompromisslos und ohne Widerworte zu akzeptieren. Dennoch ist das Leben eine stetige Veränderung. Wer  damit nicht klar kommt, darf nicht das Leben an sich dafür zur Rechenschaft ziehen, sondern seine Einstellung dazu. Und, wer weiß wozu manche Veränderung gut ist. Jeder Veränderung birgt vielleicht auch Gutes, wenn man sie als das akzeptiert, was es ist.

Das Leben selbst.

Denn wie schrieb Goethe so trefflich:

Das Leben gehört dem Lebendigen an und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.

Dann klappt es auch mit den neuen Nachbarn und mit allem anderen auch.

 

In diesem Sinne

Herzlichst eure Lilo  


 

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