Petra Lies / Lilo. Ich tue, was mir Freude macht. Singen und Schreiben.    

 

Apokalypse Now oder, warum ich glaube, dass die Welt ein ganz anderes Problem als Corona hat.   

In einer asiatischen Riesenstadt
Bin ich auf meinen Reisen einst gewesen,
Und während meines Aufenthaltes dort
Schritt finster durch die Plätze, Höfe, Straßen
Ein schwarzer Engel viele Wochen lang.
Dem Urgrund eines breiten braunen Stromes
Aus Schlamm und Schlick war hämisch er enttaucht,
Und seine schweren Schwingen tropften Moder.
Die Rechte hielt, wie ein gezogen Schwert,
Wie Genien goldne Palmenzweige tragen,
Ein giftig Kraut, das schlug er an die Pforten,
Und tausend, abertausend winzige Käfer
Entstoben dann dem giftigen Kraut und fielen
Auf alle Menschen, alle übersäend,
Und wem sie zierlich durch die Lippen krochen,
Der mußte ohne Gnade in den Tod.

Was sich hier liest, als wäre es geradewegs der Auszug aus einem Gedicht unserer Tage, wurde von Detlef von Liliencron bereits 1893 verfasst. Wer das ganze Gedicht lesen möchte, braucht Zeit, denn es umfasst gleich ganze acht lange Verse. Verse, die von Verdammnis und Tod handeln, von übelriechendem Fleisch und einer Krankheit, die Jahrzehnte lang die Geißel der Menschheit gewesen ist. Worüber hier geschrieben wurde, ist nichts anderes als die Pest.

 Die Zeit der großen Pestepidemien ist vorbei. So scheint es zu mindestens. Und doch, wenn wir ganz genau hinsehen, einen wirklichen Blick auf unsere Welt wagen, so könnte man glauben, wir wären erneut mitten drin in einer dunklen und todbringenden Zeit. Die Pest unserer Tage ist subtiler, weniger schmerzhaft, weniger ansteckend und dennoch ebenso tödlich, wie die Pest selbst.

Und Nein! Ich spreche immer noch nicht vom Super-Virus Corona. Klar, die Tatsache, dass seit Monaten ein Virus unbekanntem Ausmaß über unsere Welt fegt, kann ich nicht abstreiten. Zu einem Mindestmaß habe ich auch Verständnis für all diejenigen, die jetzt der Ansicht sind sich zu verbarrikadieren und ihre heimischen Vorratsschränke aufzufüllen. Ja! Die Angst geht rum. Die Angst vor einem Virus, von dem so mancher behauptet, dass er am Ende einen großen Teil unserer Menschheit auslöschen wird. Von 65 Millionen Menschen ist die Rede. Einige Schlaue sehen darin sogar eine ihrer Verschwörungstheorien und sind der Ansicht, dass die Amerikaner selbst diesen Virus in China impliziert haben, um ihre wirtschaftliche Vormachtstellung zu stärken und behalten zu können. Allmählich könnte man wirklich der Auffassung sein, sich als Statist in einem Science Fiktion Film zu befinden. Outbreak Teil 2 mit ungewissem Ausgang und dieses Mal wird uns Dustin Hoffmann wohl eher nicht retten können.

 Dennoch und trotz alledem fürchte ich mich nicht. Dabei bin ich nicht mal ein sehr mutiger Mensch. Wovor ich mich jedoch wirklich fürchte, ist das, was unsere Welt tatsächlich bedroht und kränkeln lässt. Und das wird weder die Pest noch irgendein anderer Virus sein. Was unsere Welt und somit auch uns wirklich vernichten wird ist Gleichgültigkeit, fehlende Nächstenliebe wachsender Egoismus, ein ewiges Wegschauen, nicht hinhören und all die Kriege, die durch nach Macht hungernden Regierungen und Staatsmännern geführt werden und das ohne Rücksicht auf Verluste. Ihre Legitimierung ist Profit, Geldgier, der wahre Glauben – was immer das auch sein mag - und erneutes diktatorisches Denken. Die Hauptschuld liegt bei denen, die unsere Welt in Schutt und Asche bomben und wir, die Völker dieser Welt, machen uns mitschuldig daran, dass wir weder aufbegehren noch helfen da wo Hilfe notwendig ist. Dem Ruf Greta Thunbergs sind Millionen Menschen gefolgt. Alleine in meiner Heimatstadt sind bis zu 70.000 Menschen für ein besseres Klima und die Erneuerung unserer Erde auf die Straße gegangen. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Auch ich bin für Ökologie und Umweltschutz! Dennoch frage ich mich, wo all die Millionen Menschen bleiben, wenn es um die stummen Schreie derer geht, die um ihr Leben bangen müssen? Wo sind die 70, 80 oder gar 90.000 Demonstranten, die auf die Straße gehen und für mehr Menschlichkeit und für den Frieden ihre Stimme erheben und ganze Städte zum Erliegen bringen? Schon längst ist unser aller Menschlichkeit unser Mitgefühl im Sumpf aus Korruption, Hass, Neid, neu aufkeimendem Antisemitismus, rechtem Gedankengut, fatalen wirtschaftlichen Entscheidungen, Ausgrenzung, unterlassener Hilfeleistung und Inhumanität untergegangen. Was von unserer Menschlichkeit übriggeblieben ist, ist ein fauler, stinkender Morast.

Während wir noch darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist, in Panik zu verfallen und sich manch einer vor lauter Sorge sich am Corona – Virus anzustecken dazu entschließt seine Türen und Fenster zu verbarrikadieren leiden und sterben Tausende von Menschen in Syrien, an den europäischen Außengrenzen und in Auffanglagern, die nicht einmal das Wort „Auffangen“ verdient hätten. Nur allzu gerne schauen wir weg, wenn es darum geht zu helfen. Wir verschließen nicht nur unsere Grenzen, sondern ebenso unsere Herzen. Hören nicht mehr die vielen Schreie der Kinder, die Hunger leiden und in desolaten Lagern, wie Ungeziefer unter Verschlägen aus faulem Holz, nasser Pappe oder Plastikplanen dahinvegetieren, mit kaum etwas an, was sie wirklich  vor der Kälte schützt. Schauen einfach nicht mehr hin, wenn es um deren Leid geht und wollen nicht verstehen, dass die Kleinsten der Welt ihren Glauben an eine heile Welt schon längst verloren haben. Wir hören nicht mehr die stummen Schreie der Mütter, die ihre Kinder zu Grabe tragen müssen, weil sie entweder verhungert oder erfroren sind. Sehen nicht die Väter, die verzweifelt um das Leben ihrer Familien betteln und unter eigener Lebensgefahr einen Weg suchen, um das zu beschützen, was sie am meisten lieben. Wir hingegen, die Industrieländer bangen lieber um unsere westliche und östliche Wohlstands - Welt und erkennen gar nicht, dass, wenn wir so weitermachen unsere Welt und somit auch wir gar nicht mehr zu retten sind.

Ein altes Sprichwort lautet:“ jeder ist sich selbst der Nächste “.  Genau dieses Denken und Handeln prägt zunehmend unsere Gesellschaft. Egoismus und Ellenbogen – Einsatz sind häufig gefragt und auch gewollt. Das Wahlversprechen Trumps „Amerika First“, war kein leeres Versprechen. Es war bitterer Ernst, und zwar hüben wie drüben. Nationalität und nationales Denken haben schon längst ihren Platz in den Köpfen vieler Menschen gefunden. Das Wohl der eigenen Haut geht mittlerweile erneut vor dem großen weltlichen Wohl. Was vor Jahrzehnten als Heilung der Welt begann, das Verbünden von Nationalitäten, die Auflösung starrer Grenzen und eine Global denkenden Welt, löst sich immer mehr in seine Einzelteile auf. Die Ideologie, dass die Welt nur dann gesunden kann, wenn sich möglichst viele Völker vereinen hat sich selbst eingeholt und das Rennen verloren. Was ist vom großen Traum geblieben? Nichts – außer ein paar unermüdliche Idealisten, die all ihre Kraft und Lebensenergie dafür einsetzen, dass das Wenige, was vom großen Ganzen übrig geblieben ist, sich nicht auch noch auflöst. Es gibt kein gemeinsames Denken oder Handeln. Es gibt nicht einmal ein Marshallplan, wie man denen helfen kann, die unsere Hilfe am Dringendsten brauchen. Die Welt steht vor einem Abgrund und sieht es nicht einmal!

Als Idealist will ich nicht glauben, dass es für ein Umdenken zu spät ist. Ich möchte glauben, dass die Welt wieder gesundet und sich die Völker der Erde erneut vereinen. Ich möchte glauben, dass schon morgen oder übermorgen 70.000 Menschen und noch mehr auf die Straße gehen und für mehr Menschlichkeit demonstrieren. Die Welt braucht mutige Menschen, mehr Offenheit, die Bereitschaft aufeinander zugehen - aber vor allen Dingen braucht sie uns - braucht sie dich!

Lass dich anstecken von der Menschlichkeit und infiziere gründlich deine Umgebung, auf dass der Virus der Nächstenliebe die Welt erobert, bevor es ein anderer Virus schafft.

 (Christa Schyboll) 

In diesem Sinne

Herzlichst eure Lilo.     

 

  

     

 

 

 
 
 
 
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