Petra Lies / Lilo. Ich tue, was mir Freude macht. Singen und Schreiben.    

 Von allerlei Kribbeln im Bauch und Sehnsucht im Kopf.

Da sitze ich doch neulich, den vierten Tag infolge und gefühlt eine halbe Ewigkeit auf meiner heimischen Terrasse, betrachte Flora und Fauna, lausche dem ach gar so lieblichen Vogelgezwitscher und lasse meine Gedanken freien Lauf, als mich plötzlich und das ohne Vorwarnung so ein eigenartiges und konstant ansteigendes Kribbeln in der Magengegend erfasst. << Huch<< denke ich noch, << was ist denn jetzt los? << eben noch die Ruhe selbst und von einer Sekunde zur anderen packt mich eine innere Unruhe und im nächsten Moment sehe ich mich auch schon wie ein Tiger durch die Botanik herumstreifen. Jetzt, meine Damen und Herren, ist Obacht angesagt und Vorsicht bei jedem, der es auch nur wagt mich anzusprechen. Kurz um, ich bin geladen wie eine Kanone und jederzeit bereit scharf zu schießen. Nur kein falsches Wort, kein fragender Blick oder irgendwelche kleinen oder übertriebenen Forderungen, am besten man überlässt mich mir selbst!
Diejenigen, die mich kennen, wissen, was mich umtreibt und diejenigen, die mich nicht kennen, wundern sich im Allgemeinen über meine unerwartete und vielleicht auch leicht überzogene Gefühlsänderung.

 Und um ehrlich zu sein, erkenne ich mich ja selbst nicht wieder. Es ist als wären gerade Yin und Yang, Dr. Jekyll und Mr. Hyde oder der Teufel selbst in mich gefahren. Wer jetzt spontan an Omen denkt und sich wünscht, irgend so ein Pfaffe würde aus einer Erdspalte emporsteigen und mit seinem Kruzifix den Dämon, der mir anscheinend anheimgefallen ist, beschwören, liegt da gar nicht so verkehrt.


Natürlich kenne ich diese Phase und bei allem, was mir recht ist, wäre es einfach wundervoll – für alle und für mich selbstredend ebenso -, wenn es mit zunehmendem Alter weniger oder am besten gar nicht mehr auftauchen würde. Aber so ist es halt nicht. Trotz Weisheit und Alter kann ich nicht aus meiner Haut.  Alles, um mich herum ist nur noch nervig und selbst die harmloseste und winzigste Ameise bringt mich zum Überkochen. Klug, wie meine bessere Hälfte mittlerweile geworden ist, sucht er sein Heil und das Weite und geht mir weitgehendst aus dem Weg. Einen großen Schaden kann ich eh nicht mehr anrichten, denn außer uns zweien ist niemand mehr da. Unsere Kinder sind längst erwachsene und die Nachbarn sind gottlob nicht in der Nähe. Aus Erfahrung weiß ich, dass dieses Gefühl die nächsten 12, wenn nicht sogar 24 Stunden ohne Probleme überleben wird und mir ist vollkommen klar, dass es mir Mühe abverlangt, um eben nicht bei jeder Kleinigkeit aus der Haut zu fahren oder, wie man so schön sagt aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Da kann es schon mal passieren, dass ich Dinge auf den Tisch bringe, an die sich mein Gegenüber nur schwerlich erinnern kann, die mir dennoch in dem Moment so unsagbar wichtig erscheinen, dass ich sie unbedingt bei nächster Gelegenheit an den Mann bringen muss. Ich habe eben doch ein Gedächtnis wie ein Elefant und vergesse selten wirklich etwas.


Ich hasse solche Tage. Und, weil sie nicht dadurch besser werden, dass ich stundenlang mit mir hadere oder andere ohne konkreten Grund anmeckere, im Gegenteil, eigentlich machen sie solche Tage noch viel schlimmer, meide ich Garten, Flora, Fauna, Nachbarn, Kinder, Freunde und selbst meinen mir angetrauten Göttergatten und ziehe mich in mein kleines Schneckenhaus zurück. Tue einfach so als wäre ich nicht da und ziehe mir meine Decke bis zur Nasenspitze hoch. Schlussendlich kann ich ja nicht stundenlang durch die Gegend ziehen oder die Wurzeln im Garten zählen.


Hat mich der Alltagsfrust erst einmal gepackt, gibt es kein Entrinnen. Da muss ich und alle anderen durch, komme, was da wolle!


Zu mindestens war das bislang meine Devise. Ich habe mir nämlich Besserung geschworen und will das Übel direkt an der Wurzel packen, mich meinem Frust nicht mehr beugen und anderen damit ganz gehörig auf die Nerven gehen. Eine ultimative Lösung muss her und die, so dachte ich, finde ich garantiert in den Weiten des Internets.
Gesagt, getan!  Habe ich mir erst einmal etwas in den Kopf gesetzt, führe ich es auch durch und mit den Schlagwörtern – wie begegne ich adäquat meinen Alltagsfrust – machte ich mich kurzerhand auf die Suche.


Den ersten Ratschlag, der mir begegnet ist, war der, den Frust erst einmal hinzunehmen. Ihn zu akzeptieren und auf gar keinen Fall zu unterdrücken. Es bringt nichts, wenn wir versuchen, es zu verurteilen, zu unterdrücken, zu leugnen oder mit Ablenkung zuzuschütten. Also brauchen wir gar kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir weiterhin untätig herumsitzen und unsere schlechte Laune pflegen und hegen. Ich sage nur Decke über den Kopf und heulen, was die Tränendrüse hergibt.  Lass es raus und gebe deinem Frust die Plattform, die es braucht. Tust du es nämlich nicht, kommt es zu einem späteren Zeitpunkt, an unerwarteter Stelle in doppelter Kraft in unser Leben zurück. Man darf sich leidtun und bedauern. All das sind Gefühle, die durchaus ihre Daseinsberechtigung haben.


Beim zweiten Ratschlag bin ich mir wahrlich nicht sicher, ob das hilft, zumal nicht jeder in einer Beziehung lebt. Und selbst dann, heißt es noch lange nicht, dass man immer die Möglichkeit dazu hat oder der Partner greifbar ist – bzw. mit dir gerade auf einer Wellenlänge surft. Dennoch hilft gegen Alltagsfrust – Überdruss eine riesengroße Portion Kuscheln. Wer viel kuschelt, setzt das Hormon Oxytocin frei und das hemmt unsere innere Unruhe und Unzufriedenheit. Ja, Sex wird auch empfohlen und den bitte sofort und augenblicklich und in voller Ekstase. Allerdings bezweifele ich, dass das am Ende tatsächlich zielführend sein kann, wenn die eigene Laune bereits im Keller ist, man im Magen eher das Gefühl hat, als läge, da eine Zeitbombe mit restlicher Laufzeit von zwei Minuten und man zuvor seinen Herzallerliebsten gewaltig auf die Nerven gegangen ist.


Man könnte allerdings auch Yoga, Meditation oder autogenes Training versuchen, um von seiner Höhenleiter herunterzukommen. Yoga kenne ich und empfehle hier gerne den stehenden Hund, die Kriegerin oder die buckelige Katze. Meditation, ist nun wirklich nichts für mich. Zu oft fliegen da meine Gedanken, wer weiß, wohin und zielführend ist das jetzt wahrlich nicht. Also bleibt nur noch autogenes Training. Ja, könnte man tun, wenn es dann nicht mehr oder weniger dazu führen würde, dass man vor lauter innerem Frust seine Muskeln so sehr anspannt, dass man glaubt, jede einzelne Faser würde gleich wie ein Flummi heraus hüpfen. Auf der anderen Seite heißt es aber nicht umsonst - in der Ruhe liegt die Kraft -. Also, warum nicht? Und, wer kann macht am besten alles zusammen oder der Reihe nach.


Tja und dann – man höre und staune – lernte ich ganz nebenbei, dass es neben der mittlerweile allgemein bekannten Work- Life- Balance auch noch die Stress- Balance- Bremse gibt. Wow, dachte ich – was das wohl schon wieder für neu moderner Kram ist. Ehrlich gesagt kann ich der Work-Life- Balance schon wenig abgewinnen, was sollte mich also dazu bewegen meinen Unmut, meine leidige Laune und meinen Frust mit einer neuen Balance zu begegnen?
Ist aber erst einmal die Neugierde geweckt, ist man auch gerne bereit dazu weiterzulesen. Man weiß ja nie, ob man nicht doch etwas Neues lernt oder, die eine ultimative Lösung findet. Doch was ich fand, war ein alter Hut von anno dazumal, den mit Sicherheit unsere Großmütter und Mütter im Laufe ihres Lebens hundertfach ausprobiert hatten und zum Entschluss gekommen sind, dass es zwar nett gemeint ist, dass man, bevor man seinen Unmut in die Welt hinausträgt und andere anpöbelt, anschreit oder vor lauter Frust zum Mars wünscht, in Ruhe still bis zehn zu zählen, dabei nicht vergessen sollte, tief ins Zwerchfell hinein zu atmen, ganz nebenbei und nur, wenn einen das Zählen nicht davon abhält, an ein schönes Abendessen zu denken oder, wie oben bereits erwähnt, an traute Zweisamkeit. All das sind, so beschrieb es ein selbsternannter Lebenscoach, beste Voraussetzungen, um zu entscheiden, ob man sich dem Frust überlassen will – oder doch lieber etwas Besseres ausprobiert.


Der letzte Satz gefiel mir ungemein und so klappte ich den Deckel meines Laptops zu und horchte in mich hinein. Vielleicht würde ich ganz tief in den Tiefen meines Herzens, in all den unergründlichen Wirrungen und Irrungen meiner Gehirnwände doch noch die eine und einzige Lösung finden.


Und plötzlich war sie da. Die ultimative Lösung!


Ändere deine Sichtweise, hörte ich mich ganz leise zu mir selbst sagen.


Was wäre, wenn du jedem Tag die Chance geben würdest, der schönste deines Lebens zu werden?
Der Satz stammt im Übrigen nicht von mir, sondern kein Geringerer als Mark Twain soll dies gesagt haben und ich finde, damit hat er nicht nur ins Schwarze getroffen, sondern mir eine ganz neue und wunderbare neue Sichtweise geschenkt.


Selbstredend, darf man frustriert und schlechtgelaunt durch seinen Alltag stolzieren. Man darf auch schimpfen, wie ein Derwisch und olle Kamellen auf den Tisch bringen, wenn es dir hilft. Und trotzdem sollte man versuchen – zu mindestens ein klein wenig – auch die schönen Dinge, die dir im kleinen und großen Alltag begegnen, zu sehen. Bleib wachsam, dir und deinem Alltag gegenüber. Man kann nie wissen, was einem noch an Wundervollem tatsächlich über den Weg läuft. Mach dir bewusst, dass derselbe Tag, der dir Frust, Ärger und Nerv beschert, immer auch das Potenzial und die Gabe haben kann, dir das schönste Geschenk von allen zu machen.


Das Leben ist nie nur die Suche nach Abenteuern, Außergewöhnlichem, Abwechslung, nach Tanz und Amüsement.


Das Leben ist Alltag.


Das Leben ist Trott


Das Leben ist still wie ein ruhiger Fluss und ja manchmal auch sterbenslangweilig.


Ob man sich davon beeinflussen lässt, ständig auf der Suche ist oder einfach nur still im Garten sitzt und sich an Flora und Fauna erfreut, ist deine Entscheidung oder, um es poetischer auszudrücken:


<< Wer Schmetterlinge lachen hört, weiß, wie Wolken schmecken<<


In diesem Sinne
Deine / eure Lilo David.


 
 
 
 
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