Petra Lies / Lilo. Ich tue, was mir Freude macht. Singen und Schreiben.    

Moderne Zeiten -  von gern vergessenden Wahrheiten und, was Frauen meiner oder früheren Generation wirklich von Jüngeren unterscheidet.   

Ein Rückblick, in eine noch gar nicht allzu lang entfernte Vergangenheit zeigt, wie klein die Zeitspanne ist, seit Frauen sich aus alten Rollenverständnissen befreit haben. Mittlerweile leben und fordern junge Frauen, wie selbstverständlich, dass sich ihre Männer und Väter ihrer Kinder, zu gleichem Anteil am Haushalt und der Kindererziehung beteiligen und auf Arbeitszeit verzichten. Da wirken natürlich unsere Lebensformen geradezu wie Geschichten aus anno dazumal. Neulich schrieb eine junge Mutter, in einem dieser Elternforen:

 „ Ich habe nie verstanden, wieso meine Mutter nie richtig gearbeitet und sich mit so wenig zufriedengegeben hat. Sie war überhaupt nie emanzipiert.  Mir ist meine Karriere absolut wichtig und nur für die Kinder da zu sein und auf vieles verzichten, kommt für mich nicht infrage!

 Und ja, so was macht mich wütend und ist wie eine schallende Ohrfeige mitten ins Gesicht.  Aber damals – oh Gott, das liest sich als wäre ich direkt aus einem Hedwig Courts Mahler Roman entsprungen -  war es eine absolut weit verbreitete, gängige und von der Gesellschaft vollkommen akzeptierte Lebensform. Der Mann, der Ernährer der Familie und die Frau, diejenige, die bestenfalls zu verdient und sich ansonsten um den Haushalt und die Erziehung der Kinder kümmert. Zu mindestens im Westen der BRD.  Die Mädchen, meiner und früheren Generationen haben noch gelehrt bekommen, dass individuelle Entwicklung auch berufliche nicht so wichtig ist. Spätere Karrieren, waren eher einem kleineren weiblichen Teil vorbehalten. Dass, sich das Heer junger Frauen freiwillig und ohne Grundsatzdiskussionen in eine finanzielle Abhängigkeit ihres Mannes begaben, hatte weniger mit Dummheit oder Faulheit zu tun, sondern damit, dass genau diese Lebensform, mal offen und manchmal  leise und im Stillen, in ihren Erziehungen einflossen. Sie hatten zum größten Teil gar keine andere Wahl, als so zu leben, wie sie gelebt haben.

Die Frage, wer nach Heirat und Familiengründung zuhause bleibt, war keine, die wir stundenlang diskutiert haben. Im Grunde stand das Ergebnis schon sehr viel früher fest. In einer Umfrage, die man 1977 unter jungen Mädchen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren erhoben hatte, galt noch für 88 % aller Mädchen die alte Rollenverteilung. Verständlich, dass Jahre später – 1990, als nämlich genau die damals befragten jungen Mädchen verheiratet oder im heiratsfähigen Alter waren, der Prozentsatz der nicht berufstätigen Frauen bei 61 % lag. Es war zwar nicht ungewöhnlich in Teilzeit zu arbeiten aber einer Vollzeitberufstätigkeit gingen nur 11 % der Frauen nach. Von Männern, die Zuhause blieben und oder auch nur ihre Arbeitszeiten reduziert hätten, sucht man in den Statistiken vergebens. Zu groß war die Angst beruflich nicht mehr Fuß fassen zu können oder bei der nächsten Beförderung nicht bedacht zu werden. Außerdem, warum sich Neuen zuwenden, wenn Altes seit Jahrhunderten bestens funktioniert?

Dass dennoch heute mehr Frauen arbeiten, finanziell auf eigenen Füßen stehen und eine höhere Schulbildung haben, als noch meine Generation oder frühere, ist selbstredend dem Fortschreiten der Emanzipationsbewegung, der auslaufenden Sechzigern und beginnenden Siebzigern zu verdanken. Letztendlich kämpften unsere Mütter und in gewisser Weise auch meine Generation für eine Gleichberechtigung, die sich jedoch erst mit Beginn unseres neuen Jahrtausends in der Gesellschaft manifestieren konnte.  

Wer jedoch glaubt, dass sich im Denken, in den letzten 50 Jahren wirklich ein großer Wandel vollzogen hat, kann nur enttäuscht werden. Eine 2017 durchgeführte Befragung junger heiratsfähiger Männer überraschte mit einem Ergebnis womit wohl die wenigsten gerechnet haben. Demnach befürworten 82 % der Männer die Berufstätigkeit ihrer Frauen, schon wegen womöglich späteren finanziellen Nachteilen. Allerdings primär deshalb, weil man den Verdienst der Frauen benötigt, um sozial gut dazustehen. Wohingegen Männer mit hohem Einkommen immer noch der Ansicht sind, dass ihre Frauen nicht mitarbeiten müssen. Sie bevorzugen nach wie vor dann doch eher die klassische Variante. Akzeptieren jedoch die Entscheidungen ihrer Ehepartner, um als modern und fortschrittlich denkender Mann dazustehen. Also viel hat sich in den Köpfen nicht getan!

Wenn man über ein so gewichtiges und kontroverses Thema schreibt, bleibt es nicht aus, dass man manche Statistiken wälzen muss. Dank Google und Co wird man auch rasch fündig und holt ebenso amüsantes als auch Überraschendes zutage. Erschreckend  fand ich einen Bericht, wonach noch 1967, 80 % der Mädchen unter 18 Jahren keine Schuldbildung über das 14. Lebensjahr hinaus erhalten haben. Die alte und längst überholte Meinung „dass wir ja doch irgendwann heiraten und Kinder kriegen. Wozu sie also länger zur Schule schicken“ war noch bis zu 90 % in den Köpfen der Eltern – beziehungsweise der Väter, die noch ein altes Patriarchat lebten vorhanden. Übrigens zog sich dieses Denkmuster noch bis weit in die siebziger hinein fort.  Die Bestimmung der Frauen lag eindeutig noch am heimischen Herd und bei den Kindern.

Ging es bei Mädchen meiner Generation um eine bessere Schuldbildung, so war die mittlere Reife die erste Wahl. Abitur und ein langes Studium waren eher noch nicht die Regel. Ein kleiner Wandel vollzog sich Anfang der Siebziger, als man allen Schülern , egal welcher sozialen Herkunft die Möglichkeit gab das Gymnasium zu besuchen. Dazu reichte damals ein Notendurchschnitt von mindestens 3.0. Was zur Folge hatte, dass die Klassenzahl an diesen Schulen explosionsartig anstiegen und es nicht nur zwei , sondern meistenteils gleich 6 - 8 neue fünfte Klassen gab und die gleich mit jeweils 36 Schülern. Und obwohl damit auch eine Chancengleichheit aller Kinder und aller Geschlechter forciert wurde, waren dennoch weitaus mehr Jungen als Mädchen unter den angemeldeten Kindern.  Zu Verdanken hatte man diese Entwicklung sicherlich den Studentenunruhen, der späten sechziger Jahren. Ebenso ein Resultat dieser Zeit waren die Jahre der Antiautoritären - Erziehung. Eine Erziehungsform, in dem alte Werte und längst überholte Ansichten über Bord geworfen wurden. Innerhalb dieser Erziehungsform galten Jungen und Mädchen als gleichwertig und erhielten durch ihre Eltern selbstredend auch die gleichen Chancen. Die meisten Familien jedoch lehnten eine derartig Moderne und revolutionäre Erziehung ab und lebten weiter nach althergebrachtem Ritus.  

 Selbstverständlich gab es auch in der Generation der Frauen, die heute Mitte- Ende Fünfzig oder älter sind Ausnahmen. Natürlich haben auch hier einige berufliche Erfolge oder gar Karrieren vorzuweisen, standen oder stehen auf eigenen finanziellen Füßen, haben sich womöglich aus einer unglücklichen Ehe gelöst und somit ihr Leben finanziell eigenverantwortlich übernommen. Nur das Heer derer, die mit mir aufgewachsen sind oder auch nur ein paar Jahre früher oder später geboren wurden, lebte ein völlig anderes Leben als die heutigen jungen Frauen. Ich war erstaunt zu lesen, dass erst ab 1986 der Anteil an Mädchen mit Hochschulreife und einem anschließenden Studium signifikant anstieg. Mittlerweile und das ist höchst erfreulich, ist der Anteil der Mädchen mit Abitur und oder Hochschulreife bei 42 % (Statistik erhoben 2016.). Was macht also eine bessere Schuldbildung und Ausbildung mit jungen Menschen, insbesondere mit Mädchen? Es macht sie selbstbewusster, mutiger, selbstständiger, Risiko erfreuter und eröffnet neue Wege und Freiheiten.

Freiheiten von denen unsere Mütter und Großmütter, älteren Schwestern und wir zum Teil  nur träumen konnten. Das Bild der Frau hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert und das ist auch gut so. Hoch lebe die Emanzipation! Und dennoch gab es vor nicht einmal vierzig Jahren gesellschaftliche Unterschiede und Einschränkungen, die für junge Leute heute absurd erscheinen. Wir jedoch waren damit tagtäglich konfrontiert und selbstverständlich hat all das unser Leben beeinflusst. .

Vielleicht können ein paar interessante Fakten dazu beitragen gewisse Dinge besser zu verstehen. Über manche darf man sich gerne wundern oder einfach nur staunen. Dennoch prägten sie uns und stellten unser gesellschaftliches Gefüge dar.  

Bis 1977 mussten Ehemänner der Berufstätigkeit ihrer Frauen zustimmen und bei geringstem Zweifel oder der Ansicht, dass dadurch der häusliche Frieden, die Kindererziehung oder ihr Wohlbefinden vernachlässigt oder gestört war, durften sie es verbieten. Übrigens bedurfte es da nicht mal die Kündigung vonseiten der Ehefrau. Es reichte vollkommen aus, wenn der Mann kündigte.  Die Frauen mussten, ob sie wollten oder nicht wieder aufhören zu arbeiten. Selbst einfache Dinge, wie ein Kinobesuch oder mit Freundinnen ausgehen, war etwas, dass durchaus vom Ehemann untersagt werden konnte. Und ich glaube, dass es unterm Strich noch sehr viele Männer gab, die sich als Patriarch innerhalb ihrer Familie auslebten und ihre Frauen gängelten und bevormundeten. 

 Die abwertende Bezeichnung „ Fräulein“ wurde im Amtsdeutsch erst 1971 abgeschafft   -  wohingegen diese Titulierung noch bis Anfang der achtziger Jahre, in den Köpfen der Menschen vorhanden blieb. Im Osten, also der ehemaligen DDR sogar bis Ende der achtziger und das, obwohl sich diese Gesellschaftsform als so fortschrittlich und modern zeigte.  Auch die Suche nach einer gemeinsamen Wohnung war mit allerlei Hürden verbunden. Man stelle sich heute vor, welcher Aufschrei durch die Reihen ginge, wenn man als Paar auf Wohnungssuche ist und der Vermieter oder die Maklerin / der Makler  fragt, ob man verheiratet oder wenigstens verlobt ist. Das liest sich wie eine Geschichte aus uralten Zeiten. Ist jedoch eine, die ich selbst 1984 noch erleben durfte. Wilde Ehen galten noch bis Mitte der achtziger als nicht wünschenswert. Und als „ Blaustrumpf „ - eine eher weniger freundliche Bezeichnung für Alleinstehende Frauen -  galt man allgemein als Mädchen, wenn man mit Ende zwanzig immer noch Single war. Dass, die Bezeichnung " Blaustrumpf"  eigentlich für Frauen stand, die immer schon eher lernen wollten als sich gegebenen gesellschaftlichen Konventionen unterzuordnen, diese Tatsache blieb unberücksichtigt. Frauen, die alleine leben wollten, egal, aus welchen Gründen auch immer waren der Gesellschaft einfach suspekt. Die Ansicht, dass mit denen irgendetwas nicht stimmen musste und sie nur keinen Mann fanden, weil sie zu kompliziert oder herrisch waren, war in den Köpfen der Gesellschaft weit verbreitet.

 Sich ausprobieren und verschiedene Erfahrungen in Sachen Sexualität zu machen, einfach noch nicht heiraten zu wollen, galt bei Mädchen immer noch als unschicklich. Von jungen verliebten Paaren erwartete man einfach, dass sie nach spätestens zwei oder drei Jahren vor den Traualtar traten. Beziehungen, wie heute, die in „ wilder Ehe „ leben waren auf keinen Fall die Regel. Gründeten wir mit  Anfang zwanzig eine Familie – ich war bei meiner Hochzeit 24, 5 Jahre alt -  so sind die Frauen heute im Durchschnitt um Mitte- Ende dreißig bis Anfang vierzig. Schworen wir vor Gott und Gemeinde uns noch ewige Treue, in guten wie in schlechten Tagen, bei Krankheit und Leid und manchmal  sogar durchaus den  alten Schwur der Gehorsamkeit -  so verwenden heutige heiratswillige Paare das dann doch eher saloppere Treuegelöbnis „ solange es gut geht“.

Es hat sich also viel getan in Sachen Gleichberechtigung, Emanzipation, Ehe und Lebensgemeinschaften. Das Bild der Frau – auch das Selbstbildnis, ist heute mit unserem überhaupt nicht mehr zu vergleichen. Erst längere Ausbildungszeiten, eine womöglich akademische Laufbahn, ein anderes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl und die fortlaufende Emanzipationsbewegung der Frauen haben dazu geführt, dass sich nicht nur Lebensführungen und die Institution Ehe nachhaltig verändert haben, sondern Frauen auch viel mutiger geworden sind, sich schneller aus einer unzufriedenen Ehe befreien und sich einfach mehr zutrauen. Frauen von heute packen ihr Leben eigenverantwortlich an , lassen sich kaum noch etwas gefallen und stehen, wie man so schön sagt " ihren Mann". Alles Dinge, die zu meiner Zeit gesellschaftlich eher unerwünscht waren. Frauen hatten Frauen zu sein, sich, wenn nötig immer noch zurückzuziehen, beruflich zurückzustecken und ihren erfolgreichen Männern möglichst den Rücken freizuhalten. 

Verlässliche Halbtagsschulen oder gar Ganztagsschulen, gab es übrigens erst ab Ende der neunziger Jahre. Überhaupt war eine flächendeckende Kinderbetreuung eher Fehlanzeige. Natürlich gab es Kindergärten. Nur der Anspruch darauf bestand nicht. Kindergärten blieb denen vorbehalten, die berufstätig waren. Da man jedoch als Frau auch noch keinen Anspruch, nach einer Schwangerschaft, auf seinen Arbeitsplatz hatte, blieben die meisten Frauen überwiegend zuhause oder arbeiteten oftmals in einer geringfügigen Beschäftigung - zum Teil auch unter ihrem beruflichen Niveau. Die Suche nach Frauen in Führungspositionen glich eher der Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.  Daran, dass wir später im Rentenalter kaum eine Rente erhalten, die uns ein Einkommen sichert, daran dachten die wenigsten unter uns. Klar, kann man dies als naiv und dumm bezeichnen. Aber wie überall mahlten auch hier die Mühlen langsam und vieles musste sich erst in den Köpfen festsetzen und gesellschaftsfähig werden. Außerdem galt die Ehe immer noch als beste Versicherung im Alter. Sprüche, wie " bei dem kannst du nichts falsch machen, der ist Beamter und kriegt später eine dicke Pension" waren keineswegs so selten zu hören, wie man heute meinen könnte.

Das Bildnis der Frauen - gesellschaftlich gesehen -  war schon immer großem Wandel unterzogen. Jahrzehnte haben Frauen Korsetts getragen und das nur, weil die Gesellschaft es wollte und man bei Frauen eine schlanke Taille bevorzugte. Dass, Korsetts gesundheitsgefährdend sind, diese Erkenntnis musste sich erst im Laufe vieler Jahre durchsetzen. Frauen, der Zwanziger schnitten nicht nur ihre Zöpfe ab , sondern revolutionierten alte Werte und Vorschriften. In keiner Zeit zuvor oder auch danach gab es so viele Frauen,die in die Politik drängten, in die Wirtschaft, für Zeitschriften arbeiteten oder künstlerische Erfolge verbuchen konnten und sich vom alten Muff befreiten. Im Nationalsozialismus änderte sich der Status der Frauen um 360 Grad." Back to the roots", hieß hier die Devise. Frauen wurden zurückgeführt hin zu alten Wertvorstellungen, die da hießen für die Familie dazu sein und möglichst viele Kinder zu gebären. Schöne Künste, revolutionäre Gedanken und gar die Forderung, die Frau sei dem Manne gleichgestellt , wurden im Keim erstickt.  Der Krieg war vorbei doch was blieb, waren alte Muster, wonach sich eine ganze Gesellschaft richtete und dies bis weit in unsere Zeit hinein. In den Fünfzigern und Sechzigern perfektionierte nicht nur die Werbung das Frauenbild, sondern ebenso die bunten Filme made in USA und Deutschland. Und wir, die damals geboren wurden steckten mitten drin.

Wandel bedeutet Veränderung und somit wird der Status Quo, den wir heute gesellschaftlich leben, nicht bleiben. Wer dies glaubt, irrt gewaltig. Das Zusammenspiel zwischen den Geschlechtern und das, was gesellschaftlich gefordert oder gefördert wird, wird schon morgen ein anderes sein als heute. Die Gesellschaft unterliegt einem stetigen Wandel. Manches bleibt, einiges geht und vieles kommt wie ein Bumerang ungefragt zurück. Was heute zählt oder wichtig ist, wird morgen schon Schnee von gestern sein und ganz sicher schauen dann die heutigen Kinder auf ihre Mütter und Großmütter herab und stellen sich die Frage, wie es möglich sein konnte so zu leben. Denn bei allen Veränderungen und der Freude über alle Konventionen hinweg für uns Frauen einen enormen Sieg hervorgebracht zu haben, darf eines nicht vergessen werden. Und hier zitiere ich heute ganz frei  Gloria Steinem, die einst behauptete:

Eine emanzipierte Frau ist eine, die Sex vor der Ehe und danach einen Beruf hat.

Nach wie vor bestimmt allein die Gesellschaft unsere aller Spielregeln.

 

Herzlichst Ihre / Eure Lilo David. 

 

 

 

 

 
 
 
 
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